Europäischer Emissionshandel: Nachhaltigkeitszertifizierung und Nachweisführung bei Abfallbrennstoffen
26.09.2023
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Ausgabe 28
Liebe Leser*innen,
aufgrund vielfältiger Rückmeldungen von Betreibern stationärer EU-ETS-Anlagen zur Umsetzung von § 3 Absatz 1 Emissionshandelsverordnung 2030 (EHV 2030) möchten wir mit diesem Newsletter ergänzende Hinweise zur Nachhaltigkeitszertifizierung und Nachweisführung beim Einsatz von Abfällen und Reststoffen aus der Verarbeitung, die nicht unmittelbar aus der Land- oder Forstwirtschaft stammen (nachfolgend Abfallbrennstoffe genannt), geben. Diese Vollzugs-hinweise werden wir selbstverständlich vollumfänglich und zeitnah in Kapitel 8 unseres „Leitfadens zur Erstellung von Überwachungsplänen und Emissionsberichten für stationäre Anlagen“ aufnehmen.
Nach der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) müssen Abfallbrennstoffe nach Artikel 29 Absatz 1 RED II keine flächenbezogenen Nachhaltigkeitskriterien, sondern nur Anforderungen an die Entstehung des Stoffs (Abfall-/Reststoffeigenschaft) und die korrekte Massenbilanzierung nach Artikel 30 RED II erfüllen. Ferner sieht Artikel 29 Absatz 10 Satz 1 Buchstabe d) RED II nur bei Anlagen, die erstmalig nach dem 01.01.2021 Einsatzstoffe mit biogenem Anteil zur Energieerzeugung eingesetzt haben, Treibhausgasminderungsanforderungen vor.
Für die Anerkennung des biogenen Anteils als nachhaltig fordert § 3 Absatz 1 und 2 Emissionshandelsverordnung 2030 (EHV 2030) in Verbindung mit § 11 Absatz 1 Biomassestrom-Nachhaltigkeitsverordnung (BioSt-NachV) die Teilnahme des Betreibers an einem nach der RED II anerkannten Zertifizierungssystem sowie das Einreichen eines anerkannten Nachhaltigkeitsnachweises aus der staatlichen Datenbank Nachhaltige-Biomasse-Systeme (Nabisy) mit dem Emissionsbericht.
Nachweisvereinfachung für Abfallbrennstoffe
• Für feste, gasförmige oder flüssige Abfallbrennstoffe ist der Nachweis über die Einhaltung der beiden RED II-Kriterien Abfalleigenschaft und Massenbilanz auf der Basis der Teilnahme an einem Kontrollsystem zu erbringen.
• Der Betreiber kann zwischen mehreren zulässigen Kontrollsystemen wählen:
1. RED II-Zertifizierungssysteme (z.B. SURE, ISCC, REDcert) oder
2. Kontrollsysteme für die ordnungsgemäße Bewirtschaftung von Abfällen, z.B.:
Zertifizierung als Entsorgungsfachbetrieb (EfB) nach der Entsorgungsfachbetriebeverordnung oder Güteüberwachung durch Gütegemeinschaft Sekundärbrennstoffe und Recyclingholz e.V.
Weitere Systeme können nach Zustimmung der DEHSt genutzt werden. Dazu muss der Betreiber das System, insbesondere die fortlaufende Kontrolle der Abfalleigenschaft und der Massenbilanz, in der dem Überwachungsplan beizufügenden Verfahrensbeschreibung darstellen.
3. Die EU-ETS-Prüfstelle ist als gleichwertiges Kontrollsystem für die beiden RED II-Kriterien Abfalleigenschaft und Massenbilanz nur dann ausreichend, wenn:
a. der Abfallbrennstoff in der EU-ETS-Anlage entstanden ist oder die EU-ETS-Anlage den Abfallbrennstoff wie eine Sammelstelle von einem Entstehungs-betrieb bezogen hat. Zur Rückverfolgbarkeit der Abfallbrennstoffe und deren Entstehung sind Nachweisdokumente bzw. Selbsterklärungen des Entstehungsbetriebs erforderlich, welche z.B. die Abfall- bzw. Reststoff-Eigenschaft im Sinne der RED II, die messtechnische Erfassung der Stoffmenge sowie das Einverständnis zu Stichproben durch die Prüfstelle bestätigen (Formularvorlage der DEHSt folgt zeitnah)
oder
b. der Abfallbrennstoff einen negativen Marktwert aufweist, d.h., die EU-ETS-Anlage bei Bezug der Abfälle einen Entsorgungspreis (ohne Transportkosten) für die Verbrennung des Stoffes empfangen hat.
In beiden Fällen prüft die EU-ETS-Prüfstelle im Rahmen der Emissionsberichterstattung die Abfalleigenschaft auf Basis der Lieferscheine bzw. Selbsterklärungen und führt gegebenenfalls Stichproben bei den Entstehungsbetrieben durch (Variante 3a.). Die Massenbilanz führt der Betreiber und legt sie der Prüfstelle zur Prüfung vor.
Für Abfallbrennstoffe, die nach Variante 3a) geprüft werden, muss der*die jeweilige Auditor*in über spezielle Kenntnisse im Abfallrecht hinsichtlich der Einstufung und Nachweisführung von Abfallbrennstoffen verfügen, die z.B. über einen Lehrgang bei einem anerkannten Weiterbildungsträger im Bereich Abfallwirtschaft oder im Rahmen der Zulassung als Umweltauditor/in für DIN EN ISO 14001:2015 erworben wurden. Die abfallwirtschaftlichen Kompetenzen sind von der Deutschen Akkreditierungsstelle (DAkkS) zu überprüfen.
• Muss beim Einsatz von festen, gasförmigen oder flüssigen Abfallbrennstoffen eine Treibhausgaseinsparungsberechnung vorgenommen werden, z.B. bei Anlagen, die erstmalig nach dem 01.01.2021 feste oder gasförmige Einsatzstoffe mit biogenem Anteil eingesetzt haben, darf diese nur von Zertifizierungsstellen geprüft und bestätigt werden, die nach der Biomassestrom-Nachhaltigkeitsverordnung (BioSt-NachV) anerkannt sind.
Die Nachweisvereinfachung wirkt sich folgendermaßen auf die bisher mit unserem Leitfaden zur Erstellung von Überwachungsplänen und Emissionsberichten für stationäre Anlagen in der vierten Handelsperiode (2021 bis 2030) kommunizierte Anerkennung nachhaltiger Biomasse aus:
• Unterfällt ein Abfallbrennstoff einer bereits bestehenden Zertifizierung, z.B. als Entsorgungsfachbetrieb (Variante 2), muss keine zusätzliche Zertifizierung nach RED II angestrebt werden. In der dem Überwachungsplan beizufügenden Verfahrensbeschreibung kann bei Frage 2 die Zertifizierung als Entsorgungsfachbetrieb als das genutzte Kontroll-system angegeben werden.
• Unterfällt ein Abfallbrennstoff der Kontrolle der EU-ETS-Prüfstelle (Variante 3 a/b), muss ebenso keine zusätzliche Zertifizierung angestrebt werden. In der dem Überwachungsplan beizufügenden Verfahrensbeschreibung kann bei Frage 2 die EU-ETS-Prüfstelle als das genutzte Kontrollsystem angegeben werden. Unter Ziffer 3h) „Weitere Angaben zum Biomasse-Brennstoffstrom“ bitten wir um Angabe des Grunds, aus dem die EU-ETS-Prüfstelle als Kontrollsystem genutzt werden darf, z.B. Abfallbrennstoff hat negativen Marktwert (Variante 3b).
• Sofern das jeweilige Kontrollsystem schon während des gesamten Berichtsjahrs 2023 bestand, ist der Betreiber in der Lage, die der Emissionsberichterstattung beizufügenden Bestätigungen zu erbringen. Weitere Einzelheiten zur Emissionsberichterstattung folgen mit dem Update zu unserem Leitfaden.
• Nur wenn eines der oben genannten Kontrollsysteme erst im Laufe des Jahres 2023 ein-geführt werden konnte, können Betreiber für den Zeitraum ohne Kontrollsystem von der Übergangsregel nach § 3a EHV Gebrauch machen und den Emissionsfaktor Null auf Basis der Eigenerklärung (siehe dazu Kapitel 8.3.3 des Leitfadens) geltend machen.
Die Nachweisvereinfachung gilt gleichermaßen für Abfallbrennstoffe, die im Ausland angefallen sind.
Wir bitten Sie, die Vollzugshinweise aus diesem Newsletter ab sofort bei der Anpassung der Überwachungspläne zu berücksichtigen. Wie eingangs erwähnt, werden wir diese Vollzugshin-weise vollumfänglich und zeitnah in Kapitel 8 unseres Leitfadens ergänzen.
Für Müllverbrennungsanlagen, die erst ab dem Berichtsjahr 2024 neu in den Anwendungsbereich des Europäischen Emissionshandels (ETS 1) einbezogen werden, wird die DEHSt eigenständige Vollzugshinweise veröffentlichen.
Weitere Informationen
Wir sind montags bis freitags von 10 bis 15 Uhr telefonisch erreichbar. Gern können Sie uns Ihre Anfragen auch per E-Mail an E-Mail: emissionshandel@dehst.de schicken.
Umweltbundesamt
Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt)
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